Dienstag, 2. August 2011

Kapitel 8. Sallust. Bellum Iugurthinum : lateinisch-deutsch. Der Krieg mit Jugurtha.

[8] Ea tempestate in exercitu nostro fuere complures novi atque nobiles, quibus divitiae bono honestoque potiores erant, factiosi domi, potentes apud socios, clari magis quam honesti, qui Iugurthae non mediocrem animum pollicitando accendebant, si Micipsa rex occidisset, fore uti solus imperi Numidiae potiretur: in ipso maximam virtutem, Romae omnia venalia esse.
In dieser Zeit gab es in unserem Heer mehrere junge Adelige, denen Reichtum wichtiger war als Anstand und gute Sitte: parteisüchtig in der Heimat, mächtig bei den Bundesgenossen, eher bekannt als geachtet. Diese heizten Jugurtha, der ja hoch hinaus wollte, durch ihre Versprechungen, dass wenn König Micipsa niederfallen sei, könne er sich allein der Herrschaft über Numidien bemächtigen. In ihm selbst sei höchste Tugend, in Rom sei alles verkäuflich.
 
Sed postquam Numantia deleta P. Scipio dimittere auxilia et ipse reverti domum decrevit, donatum atque laudatum magnifice pro contione Iugurtham in praetorium abduxit ibique secreto monuit, ut potius publice quam privatim amicitiam populi Romani coleret neu quibus largiri insuesceret: periculose a paucis emi quod multorum esset. 
Nachdem Numantia zerstört war, entließ Scipio die Hilfstruppen und entschied in die Heimat zurückzukehren, um Jugurtha zu beschenken und loben großtuerisch vor der Heeresversammlung. Er hat ihn ins Amtsgebäude geführt und dort heimlich darauf hingewiesen, dass er mehr mächtigeres Volk schätze als die private Freundschaft, damit er sich nicht angewöhnt, sie zu bestechen. Es sei gefährlich, von wenigen das zu erkaufen, was vielen gehöre.
 
Si permanere vellet in suis artibus, ultro illi et gloriam et regnum venturum; sin properantius pergeret, suamet ipsum pecunia praecipitem casurum. 
Wenn er bei seiner bisherigen Haltung bleiben wolle, werde ihm Ruhm und Herrschaft von selbst zufallen, wenn er aber übereilt vorgehe, werde er durch sein eigenes Geld in den Abgrund stürzen.
 

Kapitel 7. Sallust. Bellum Iugurthinum : lateinisch-deutsch. Der Krieg mit Jugurtha.


[7] His difficultatibus circumventus ubi videt neque per vim neque insidiis opprimi posse hominem tam acceptum popularibus, quod erat Iugurtha manu promptus et appetens gloriae militaris, statuit eum obiectare periculis et eo modo fortunam temptare. 
Als er, bedrängt von diesen Schwierigkeiten, sieht, dass der bei seinen Landsleuten so beliebter Mensch weder mit Gewalt noch durch einen Anschlag beseitigt werden könne, beschloss er, weil Jugurtha kampfesmutig war und Kriegsruhm erstrebte, ihn bei gefahrvollen Unternehmungen einzusetzen und auf diese Weise das Schicksal entscheiden zu lassen.
 

Igitur bello Numantino Micipsa, cum populo Romano equitum atque peditum auxilia mitteret, sperans vel ostentando virtutem vel hostium saevitia facile eum occasurum, praefecit Numidis, quos in Hispaniam mittebat.
Da Micipsa nun im Krieg gegen Numantia dem römischen Volk Reiter- und Fußtruppen zu Hilfe schickte, übergab er ihm die Führung über die Numider, die er nach Spanien in Marsch setzte in der Hoffnung, dieser wolle seine Tapferkeit zeigen und werde durch die Wildheit der Feinde leicht den Tod finden.
 

Sed ea res longe aliter, ac ratus erat, evenit. 
Doch ging diese Sache ganz anders aus, als er gedacht hatte.

Nam Iugurtha, ut erat impigro atque acri ingenio, ubi naturam P. Scipionis, qui tum Romanis imperator erat, et morem hostium cognovit, multo labore multaque cura, praeterea modestissime parendo et saepe obviam eundo periculis in tantam claritudinem brevi pervenerat, ut nostris vehementer carus, Numantinis maximo terrori esset.
Denn sobald Jugurtha bei seinem unermüdlichen und scharfen Verstand die Wesensart des damaligen Feldherrn der Römer Scipio und die Sitten der Feinde erkannt hatte, war er durch große Einsatzbereitschaft und großen Eifer, ferner durch ergebensten Gehorsam und häufige Übernahme von Gefahren bald zu solcher Bekanntheit gelangt, dass er bei unseren Leuten sehr beliebt, bei den Numatinern überaus gefürchtet war.
 

Ac sane, quod difficillimum in primis est, et proelio strenuos erat et bonus consilio, quorum alterum ex providentia timorem, alterum ex audacia temeritatem afferre plerumque solet.
In der Tat, er war, was am schwierigsten ist, im Kampf tapfer und gut im Rat; denn das eine führt üblicherweise meistens von der Vorsicht zur Furcht, das andere vom Mut zur Verwegenheit.
 

Igitur imperator omnis fere res asperas per Iugurtham agere, in amicis habere, magis magisque eum in dies amplecti, quippe cuius neque consilium neque inceptum ullum frustra erat. 
So ließ der Feldherr fast alle schwierigen Aufgaben durch Jugurtha erledigen, zählte ihn zu seinen Freunden und schloss ihn von Tag zu Tag mehr ins Herz, da bei ihm kein Plan und kein Unternehmen fehlschlug.
 

Hoc accedebat munificentia animi atque ingeni sollertia, quibus rebus sibi multos ex Romanis familiari amicitia coniunxerat. 
Dazu kam seine freimütige Art und seine geistige Beweglichkeit, wodurch er sich schon viele Römer in enger Freundschaft verbunden hatte.
 

Kapitel 6. Sallust. Bellum Iugurthinum : lateinisch-deutsch. Der Krieg mit Jugurtha.

[6] Qui ubi primum adolevit, pollens viribus, decora facie, sed multo maxime ingenio validus, non se luxu neque inertiae corrumpendum dedit, sed, uti mos gentis illius est, equitare, iaculari; cursu cum aequalibus certare et, cum omnis gloria anteiret, omnibus tamen carus esse; ad hoc pleraque tempora in venando agere, leonem atque alias feras primus aut in primis ferire: plurimum facere, [et] minimum ipse de se loqui. 
Als Jugurtha herangewachsen und stark an Kräften, von gutem Aussehen, vor allem aber geistig hochbegabt war, ließ er sich nicht durch Ausschweifung und Müßiggang ruinieren, sondern übte sich nach der Sitte seines Volkes im Reiten und Speerwerfen. Er kämpfte mit den Gleichaltrigen im Wettlauf und war, obwohl er alle an Ruhm überflügelte, doch von allen wohlgelitten. Dazu verbrachte er die meiste Zeit auf der Jagd, einen Löwen und andere Wildtiere erledigte er als erster oder unter den ersten. Er leistete sehr viel, sprach aber über sich selbst nur sehr wenig.
 
Quibus rebus Micipsa tametsi initio laetus fuerat, existimans virtutem Iugurthae regno suo gloriae fore, tamen, postquam hominem adulescentem exacta sua aetate et parvis liberis magis magisque crescere intellegit, vehementer eo negotio permotus multa cum animo suo voluebat.
Darüber war Micipsa anfänglich froh gewesen, in der Erwartung, Jugurthas Tatkraft werde für sein Königreich Ruhm bedeuten. Als ihm jedoch bewusst wurde, dass seine Lebenszeit zu Ende gehe und seine Kinder noch klein seien, der junge Mann aber sich immer besser entwickelte, war er von dieser Tatsache heftig beunruhigt und ließ sich vieles durch den Kopf gehen.
 
Terrebat eum natura mortalium auida imperi et praeceps ad explendam animi cupidinem, praeterea opportunitas suae liberorumque aetatis, quae etiam mediocris viros spe praedae transversos agit, ad hoc studia Numidarum in Iugurtham accensa, ex quibus, si talem virum dolis interfecisset, ne qua seditio aut bellum oriretur, anxius erat. 
Ihn schreckte die menschliche Wesensart, die nach der Herrschaft strebt und sich in die Befriedigung der inneren Begierde stürzt, ferner die Chance, die in seinem hohen Alter und in der Jugend seiner Söhne lag und auch weniger begabte Männer in der Hoffnung auf Gewinn auf Abwege führt, schließlich die feurige Begeisterung der Numider für Jugurtha, die ihn bangen ließ, es könne ein Aufruhr oder Krieg entstehen, wenn er einen solchen Mann mit List beseitigt hätte.
 

 

Kapitel 5. Sallust. Bellum Iugurthinum : lateinisch-deutsch. Der Krieg mit Jugurtha.


[5] Bellum scripturus sum, quod populus Romanus cum Iugurtha rege Numidarum gessit, primum quia magnum et atrox variaque victoria fuit, dein quia tunc primum superbiae nobilitatis obviam itum est; quae contentio divina et humana cuncta permiscuit eoque vecordiae processit, ut studiis civilibus bellum atque vastitas Italiae finem faceret.
Ich will den Krieg beschreiben, den das römische Volk mit Jugurtha, dem König der Numider, geführt hat, einmal weil er schwer und schrecklich und der Sieg, dann weil man da erstmals der Überheblichkeit der Nobilität entgegentrat. Dieser Streit brachte alle göttlichen und menschlichen Ordnungen durcheinander und steigerte sich zu solchem Wahnsinn, daß erst ein Bürgerkrieg mit der Verwüstung Italiens den inneren Zerwürfnissen ein Ende machte.

Sed prius quam huiusce modi rei initium expedio, pauca supra repetam, quo ad cognoscendum omnia illustria magis magisque in aperto sint.
Bevor ich aber den Beginn eines Ereignisses von solchem Ausmaß darlege, möchte ich auf einiges Frühere zurückgreifen, damit für das Verständnis alles klarer und deutlicher wird.

Bello Punico secundo, quo dux Carthaginiensium Hannibal post magnitudinem nominis Romani Italiae opes maxime attriuerat, Masinissa rex Numidarum in amicitiam receptus a P. Scipione, cui postea Africano cognomen ex virtute fuit, multa et praeclara rei militaris facinora fecerat.
Im zweiten Punischen Krieg, in dem der karthaginische Feldherr Hannibal nach der Großmachtstellung des römischen Staates die Kräfte Italiens aufs stärkste angeschlagen hatte, war Masinissa, der König der Numider, von Publius Scipio, der später wegen seiner Leistung den Beinamen Afrikanus erhielt, in ein Freundschaftsverhältnis aufgenommen worden und hatte viele glänzende Waffentaten vollbracht.

Ob quae victis Carthaginiensibus et capto Syphace, cuius in Africa magnum atque late imperium valuit, populus Romanus, quascumque urbis et agros manu ceperat, regi dono dedit.
Deshalb machte das römische Volk diesem König nach der Niederlage der Karthager und der Gefangennahme des Syphax – dessen Herrschaftsgebiet in Afrika groß und weithin in gutem Zustand war – alle im Kampf eroberten Städte und Gebiete zum Geschenk.

Igitur amicitia Masinissae bona atque honesta nobis permansit. 
So blieb uns mit Masinissa eine treue und geachtete Freundschaft erhalten.

Sed imperi vitaeque eius finis idem fuit.
Aber das Ende seines Lebens war zugleich auch das Ende seines Reiches.

Dein Micipsa filius regnum solus obtinuit Mastanabale et Gulussa fratribus morbo absumptis.
Danach übernahm sein Sohn Micipsa, weil dessen Brüder, Mastanabal und Gulussa von einer Krankheit dahingerafft worden waren, das Königreich allein.

Is Adherbalem et Hiempsalem ex sese genuit Iugurthamque filium Mastanabalis fratris, quem Masinissa, quod ortus ex concubina erat, privatum dereliquerat, eodem cultu quo liberos suos domi habuit.  
Der hatte Adherbal und Hiempsal als liebliche Söhne. Jugurtha aber, einen Sohn seines Bruders Mastanabal, den Masinissa als Kind einer Nebenfrau von der Nachfolge ausgeschloßen hatte, ließ er an seinem Hof ebenso halten und ausbilden wie seine eigene Söhne.